Fellow project: "Das galante Paradigma. Untersuchungen zur Rationalität der Musik im frühen 18. Jahrhundert"
Rational handelt, allgemein gesagt, jemand, der sein Handeln an Faktoren ausrichtet, die er als Regulative mit Normstatus akzeptiert. In diesem Sinn ist musikalisches Handeln rational, wenn es Regeln folgt, die vom musikalischen Akteur (einem Komponisten, einem Musiker, einem Hörer) als Normen betrachtet werden. Aber Normen ändern sich mit den Zeiten und mit den Handelnden selbst. Diese normativen Veränderungen von Musik untersucht das Projekt vom Mittelalter bis ins frühe 18. Jahrhundert. Im frühen 18. Jahrhundert scheint der seit der Antike schärfste Einschnitt im Verständnis musikalischer Normen stattzufinden. Bisher wurde musikalisches Handeln rationalisiert durch den Bezug auf eine ein für alle Mal festgelegte Norm der Natur. So wie die mathematische und physische Natur der Dinge unveränderlich war, so mussten es auch die grundlegenden musikalischen Regeln sein. Damit Musik als schön oder als adäquates Lob Gottes empfunden werden konnte, musste sie im Sinn der normativen Natur richtig sein. Nun aber wird der musikalische Zweck zur Norm: Normativ richtig ist Musik, wenn sie ihren Zweck erfüllt, zum Beispiel den Zweck zu gefallen oder Gott zu loben. Damit ist eine grundsätzliche wissenschaftliche Neuorientierung von Musik verbunden: Orientierte sie sich bis ins 17. Jahrhundert an den Naturwissenschaften, so orientiert sie sich nun an der Anthropologie und an der Gesellschaft mit ihren Rechtsnormen. Mit diesem Forschungsansatz soll ein neuer Zugang zur Musik der Zeit Bachs und Telemanns eröffnet werden. Zudem lässt er die Geschichtlichkeit von Musik in einem neuen Licht erscheinen.