Fellow project: "Kafka als Analytiker. Abstinenz als Modus des Schreibens"
Leben und Werk vermischen sich bei Franz Kafka unaufhörlich. Differenzierte Beschreibungen dieser Verwebung stellen zugleich aktuelle Thesen in der Kafka-Forschung, spätestens seit Ende der 1990er Jahre dar – und ein avanciertes Modell dafür, die Krux der gegenseitigen Durchdringung von Leben und Werk Franz Kafkas in den Griff zu bekommen. Wo kann man nun ansetzen, um die Vernetzung von Leben und Werk einerseits, Kafkas „monströse“ Texte andererseits wieder und verschoben zu fokussieren?
In dem Buchprojekt wird das Schreiben als Akt der Kreativität, der Text und Mensch verbindet, erörtert. Damit wird heuristisch jener Modus des Schreibens ergründet, der das Werk Franz Kafkas so einzigartig macht. Die Arbeitshypothese ist, dass eine Verflechtung der Art, wie sie zwischen Leben und Werk bei Franz Kafka zu Tage tritt, durch eine Regel vollzogen wird: die der Abstinenz. Das Prinzip Kafkaschen Schreibens soll anhand der Paradigmen von Wunde, Begehren und Kunst verfolgt werden. Ließe sich das Prinzip der Abstinenz durch das Werk Kafkas nachweisen, wäre dem Mythos Kafka ein Ende gesetzt: Der zwanghaft Schreibende und triebhaft Unterdrückte, der Beziehungsunfähige und Muttersohn, schließlich der tragisch Kranke und elend Sterbende wäre nicht mehr nur passionierter ‚Wahnsinniger’, sondern Analytiker. Der passio des nächtlichen Schreibens wäre eine ratio des intervenierenden Reflektierens an die Seite gestellt, anhand der ein neuer Blick auf die Texte, und auch auf denjenigen, der hinter den Texten steht, eröffnet werden könnte.