Fellow project: "Die biologische Evolution der menschlichen Moralfähigkeit"
Kaum ein Aspekt menschlicher Lebenspraxis scheint auf den ersten Blick so grundsätzlich Darwinischen Weltinterpretationen zu widersprechen wie die menschliche Altruismus-Moral. Während die einschlägige Forschung der letzten Jahrzehnte deutlich gemacht hat, dass in vielen lebensnahen Szenarien altruistisches Verhalten als biologisch funktional und evolutionär angepasst gelten kann, sind die Verhältnisse nicht ganz so klar, wenn es um die Entstehung der im Gewissen generierten moralischen Urteilsfähigkeit geht. Das Problem besteht darin, dass das meist non-konsequenzialistisch ausgerichtete Gewissensurteil der konsequenzialistischen Wirkweise der natürlichen Selektion zu widersprechen scheint. Möglicherweise kann dieser Widerspruch einer Auflösung näher gebracht werden, wenn er – informiert durch neuere Erkenntnisse und Theorieofferten zur sozialen Evolution des Menschen - in einen komplexeren Zusammenhang gestellt wird. So gibt es gut begründete Hinweise, dass die biologische Evolution des Gewissens und damit der typisch menschlichen Moralfähigkeit – anders als häufig vermutet – nicht als soziale Orientierung bietender evolutionärer Reflex auf gesellschaftliche Kooperation und Komplexität zu verstehen ist, sondern ihren Ursprung in den kooperativen Fortpflanzungsgemeinschaften und damit in der konflikthaften Intimität des sozialen Nahbereichs nahm. Wenn diese Hypothese zutreffen sollte, stellt sich die keineswegs triviale Frage, wem eigentlich – in einem evolutionären, adaptiven Sinn - das Gewissen nützt: Seinem Inhaber oder denjenigen, die es formen?