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After the Empires? Ukraine’s (Post-)Colonial Entanglements

Sommerschule

Seit Russland am 24. Februar 2022 seinen groß angelegten Krieg gegen die Ukraine begann, steht die Ukraine weltweit im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Am häufigsten wurde der russisch-ukrainische Krieg sowohl in der Ukraine als auch im Ausland durch die Anwendung des konzeptionellen Apparats der postkolonialen Theorie erklärt. In diesem Sinne wurde Putins Aggression als Fortsetzung der jahrhundertealten „russischen Kolonisierung“ interpretiert. Der ukrainische Widerstand wiederum wurde weitgehend als „antikolonialer Krieg“ gedeutet, der mit einer „dekolonialen“ „Aufhebung der russischen Kultur“ einhergeht.
Solche eindeutigen Erklärungen werden jedoch den vielfältigen Interaktionen der Ukraine mit mehreren imperialen Zentren in der Vergangenheit und Gegenwart, insbesondere mit der Ukraine, nicht gerecht. Darüber hinaus ignorieren sie scheinbar die widersprüchlichen, oft polyvalenten Erinnerungen und kulturellen Selbstidentifikationen der Ukraine, die aus unterschiedlichen imperialen Erfahrungen resultieren, und stellen die Geschichte des Landes als eine Art teleologische Einheit dar. Aber kann dieses Verständnis der „Postkolonialität“ der Ukraine wirklich die Komplexität der kulturellen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Situation der Ukraine „nach den Imperien“ decken? Und können Postcolonial Theory und Postimperial Studies in Zeiten kriegsbedingter Mobilisierung aus den Fängen propagandistischer Vereinfachungen befreit werden?

Ausgehend davon wird die kommende Sommerakademie versuchen herauszufinden, wie sowohl Postcolonial Theory als auch Postimperial Studies möglicherweise für die Analyse der hochkomplexen und dynamischen Macht- und Wissensverhältnisse zwischen kulturell und ethnisch verwandten „Kolonisatoren“ produktiv bleiben können. Welche historischen und kulturellen Hintergründe impliziert die ukrainische „Postkolonialität“ (oder „Postimperialität“) und welche Formen der Interaktion mit imperialen Zentren hat sie im Laufe der Zeit entwickelt? Kann die ukrainische Situation nach 1991 (und nach dem Februar 2022) mit der Situation in anderen osteuropäischen (postsozialistischen, postkommunistischen, postsowjetischen) Ländern wie Weißrussland oder Polen verglichen werden, und wenn ja – welche Erkenntnisse können daraus gewonnen werden? Gibt es Raum für die Erforschung postkolonialer Komplexitäten in Kriegszeiten? Was sind die möglichen Fallstricke beim Einsatz von postkolonialem/postimperialem Vokabular und analytischen Werkzeugen?

Mit diesen und weiteren Fragestellungen wird sich die Sommerakademie zur Ukraine „After the Empires“ transdisziplinär auseinandersetzen. Anhand historischer und zeitgenössischer ukrainischer Beispiele wird gleichzeitig versucht, das Phänomen der „postkolonialen Ukraine“ im „postkolonialen Osteuropa“ und in den globalen Debatten um Post- und Dekolonialität zu kontextualisieren. Wir werden uns daher auf das spezifische Profil der postsozialistischen Postkolonialität/Postimperialität der Ukraine im Vergleich zu den Postkolonialitäten in „klassischen“ Kontrollkolonien konzentrieren. Darüber hinaus werden wir andere – nicht-russische und nicht-sowjetische – postkoloniale/postimperiale Kontinuitäten diskutieren, wie etwa die Hinterlassenschaften des „westlichen“ polnisch-litauischen Commonwealth und des Habsburgerreichs. Dabei wird ein hochkomplexes Verhältnis zwischen Postkolonialität und Nationalismus sowie verschiedene nationalistische Aneignungen des postkolonialen Diskurses zum Zweck der „nationalen Konsolidierung“ thematisiert werden. Letztendlich werden wir versuchen herauszufinden, was diese vielfältigen postkolonialen/postimperialen Positionalitäten für die Theorie bedeuten und wie die Theorie uns helfen könnte, die ukrainische Situation während und nach dem Krieg zu verstehen.
Alle Teilnehmer erhalten die Möglichkeit, eine Woche lang in Greifswald intensiv an diesen Themen zu arbeiten. Während dieser Zeit haben sie auch vielfältige Möglichkeiten, sich mit anderen Nachwuchs- und erfahrenen Wissenschaftlern zu vernetzen.

  • Die Keynote des Greifswalder Ukrainicums zum Thema „Postkoloniale Perspektiven auf Osteuropa: Ambivalenzen und Vereinfachungen“ hält Prof. Dr. Dirk Uffelmann (Justus-Liebig-Universität Gießen).
  • Den Einführungsvortrag hält JProf. Dr. Roman Dubasevych (Universität Greifswald).
  • Die diesjährigen Seminare werden unter anderem von Prof. Dr. Tomasz Zarycki (Warschau), Dr. Tarik Cyril Amar (Istanbul), Börries Kuzmany (Wien) und Dr. Oleksandr Chertenko (Gießen) gehalten.
  • Die Sprachkurse werden von PD Dr. Hanna Shvets (Kiew), Dr. Olena Synchak (Lemberg) und Dr. Ksenia Borodin (Lemberg) geleitet.
  • Gastrednerin ist Dr. Inna Melnykovska.
  • Als Reaktion auf die wachsende Nachfrage wird Lydia Nagel, eine renommierte Übersetzerin ukrainischer Literatur ins Deutsche, einen Mini-Workshop anbieten, der die Teilnehmer in die Herausforderungen der literarischen Übersetzung einführt. Der Workshop findet am 12. August statt.
  • Im Greifswalder Ukrainicum werden außerdem zwei Filme gezeigt: „Atlantis“ (Atlantyda, UA 2019) von Valentyn Vasyanovych und „Luxemburg, Luxemburg“ von Antonio Lukich. Im Anschluss an jede der Vorführungen findet eine Diskussion statt.

Der Bewerbungszeitraum wurde verlängert und endet nun am 7. Juli 2023.

Weitere Informationen 

 

READER is password-protected. Registered participants will receive their password via email. The reader contains the materials for the following seminars:

1. Decentering Ukrainian Studies (Börries Kuzmany)
2. Postcolonial Compensations: Ukraine and Beyond (Oleksandr Chertenko)
3. Postcolonial Approaches to Ukraine: Opportunities and Challenges (online) (Tarik Cyril Amar)
4. Reading Poland Postcolonial (Tomasz Zarycki)

 

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