Professorin Dr. Hanna Liss
Alfried Krupp Senior Fellow
- Geboren 1964 in Burgwedel/Hannover
- Studium der Judaistik/Jüdische Studien, Bibelwissenschaft; Altorientalistik und Religionswissenschaft in (u.a.) München, Berlin und Jerusalem
- Professorin für das Fach Bibel und Jüdische Bibelauslegung an der Hochschule für Jüdische Studien, Heidelberg
Fellow-Projekt: "‚Rapprochements littéraires‘: Raschbams Bibelkommentare und die höfische Literatur im 12. Jahrhundert "
Wurden die jüdischen Exegeten des Mittelalters bislang vor allem vor dem Hintergrund der spannungsvollen Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen christlichen Bibelauslegung verstanden, so lässt sich zeigen, dass die nordfranzösische Exegetenschule, besonders R. Samuel ben Meïr (‚Rashbam’; ca. 1080-1160) und seine Schüler, in Aufnahme der zeitgenössischen altfranzösischen Literaturentwicklung die Hebräische Bibel als vernacular-Literatur der Juden und damit als weltliche Literatur lesen wollten und hierin auch eine eigene Erzählkunst entwickelten. Die übergreifende Frage nach der Motivation der jüdischen Bibelauslegung, sich verstärkt dem sensus litteralis zuzuwenden, beantwortet meine Studie damit, dass die nordfranzösischen Ausleger der in der christlichen Umwelt sich vollziehenden Aufspaltung in eine lateinische (geistliche) und eine französische (weltliche) Literatur mit der Unterscheidung in eine Auslegung im traditionell-rabbinischen Deutemuster sowie eine davon getrennte Deutung der Bibel als profane Literatur, sozusagen als ‚matière des Hébreux‘, begegneten. Die Untersuchung bietet hierin eine für die Erforschung der Literaturgeschichte des jüdischen Mittelalters umfassende Neuorientierung, insofern sie die jüdische Gelehrtentätigkeit noch stärker als bisher als integralen Bestandteil einer europäischen Bildungskultur wertet.