Professorin Dr. Luise Schorn-Schütte
Alfried Krupp Senior Fellow
(Oktober 2008 - März 2009)
- Geboren 1949 in Osnabrück
- Studium der Rechts-,Geschichts-und Politikwissenschaften in Marburg, Göttingen und Münster
- Professorin für neuere allgemeine Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der Geschichte der Frühen Neuzeit an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt/Main und Vizepräsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).
Fellow-Projekt: "Gelehrte Intellektuelle oder intellektuelle Gelehrte im Europa des 19. und frühen 20. Jahrhunderts: Der Briefwechsel der Historiker Ernst Bernheim – Karl Lamprecht – Henri Pirenne (1881–1915)"
Das ausgehende 19. und beginnende 20. Jahrhundert war für die Entwicklung der europäischen Wissenschaftsdisziplinen lebhaft. Insbesondere die Geschichtswissenschaft diskutierte energisch und bisweilen kämpferisch darüber, worin ihre Aufgabe zu bestehen habe: Sollte es die Erforschung der politischen Geschichte als die Beschreibung des Lebens der großen Männer und der Staaten sein oder die Erforschung der „Cultur“, d.h. die Analyse der sozialen, kulturellen und materiellen (= wirtschaftlichen) Grundlagen allen historischen Wandels? Diese Debatten begannen im deutschsprachigen Raum des ausgehenden 19. Jahrhunderts, im Austausch zwischen einzelnen Historikern oder ganzen Fachgruppen wurden sie rezipiert in Frankreich, England, in den Vereinigten Staaten, in Belgien, in Italien, in Polen, in Spanien und nicht zuletzt in Japan. Einige der Persönlichkeiten, die diese Debatten prägten, haben intensive Briefwechsel miteinander geführt, in denen die methodischen und disziplinentheoretischen Fragen erörtert wurden. Eine solche umfangreiche Korrespondenz ist diejenige zwischen dem Leipziger Historiker Karl Lamprecht (25.2.1856 – 10.5.1915) und dem Greifswalder Historiker Ernst Bernheim (19.2.1850 – 3.3.1942). Eng verbunden damit war die Korrespondenz zwischen Lamprecht und dem belgischen Historiker Henri Pirenne (23.9.1862 – 25.12.1935). Während Lamprecht und Bernheim die externen Bedingungen innerdisziplinärer Kontroversen reflektierten, stand im Briefwechsel zwischen Lamprecht und Pirenne vor allem auch die Herausforderung der bis dahin dominierenden Geisteswissenschaften durch die modernen Naturwissenschaften im Zentrum des Austausches.
Die Arbeit im Wissenschaftskolleg ist der abschließenden Aufbereitung der Edition dieses Korpus von rund 400 Briefen gewidmet. Zudem wird eine umfassende wissenschaftsgeschichtliche Einleitung verfasst, die die Frage nach der sozialen und politischen Rolle gelehrter Historiker an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert thematisiert. Damit verbunden ist die Klärung der Frage, ob es einen Unterschied gibt zwischen gelehrten Intellektuellen und intellektuellen Gelehrten. Die kommentierte Edition erschließt einen bisher unbekannten Beitrag zum Verständnis der disziplinären Traditionen der historischen Wissenschaften. Sie ist deshalb auch für die gegenwärtigen Orientierungsdebatten von Belang.