Professorin Dr. Tatjana Hörnle
Alfried Krupp Senior Fellow
(April 2015 - September 2015)
- Geboren 1963 in Tübingen
- Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Tübingen und Studium „Criminal Justice“, Rutgers University, Newark, New Jersey
- Professorin für Strafrecht, Rechtsvergleichung und Rechtsphilosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin
Fellow-Projekt: "Grund und Grenzen sexueller Selbstbestimmung"
Gegenstand des Forschungsprojekts ist die Frage, welche Anforderungen zu stellen sind, damit die tatsächlich vorliegende Zustimmung zu einem Sexualkontakt als selbstbestimmte Entscheidung gelten kann. Zu unterscheiden ist die Konstellation „tatsächlich vorliegende Zustimmung“ von sexuellen Übergriffen, d.h. Konstellationen des fehlenden Einverständnisses, insbesondere sexueller Nötigung, s. § 177 StGB. Die Wirksamkeit einer Zustimmung kann auch bei volljährigen Personen zweifelhaft sein. Zwar geht das Gesetz insoweit (anders als bei Kindern) von einer Regelfallvermutung „pro Selbstbestimmung“ aus (Rechtsfolge: der Sexualkontakt gilt als eigenverantwortet und wird nicht bestraft). Das StGB beschreibt allerdings in den §§ 174a bis 174c Situationen, in denen fehlende Selbstbestimmung angenommen wird: Sexualkontakte zwischen Gefangenen und Strafvollzugspersonal, zwischen Patienten im Krankenhaus und Pflegepersonal, zwischen Beschuldigten in einem Strafverfahren und dem ermittelnden Staatsanwalt, zwischen Patienten und den behandelnden Ärzten, Psychotherapeuten etc. sind verboten, auch wenn alle Beteiligten ihr Einverständnis erklärt haben. Zu untersuchen ist erstens, ob die im deutschen Recht zu findenden, ein Einverständnis für unwirksam erklärenden Regelungen in sich stimmig und konsistent sind; zweitens, was mit dem Begriff der Selbstbestimmung gemeint ist. An dieser Stelle ergibt sich eine Überschneidung mit dem Projekt von Stefan Huster. Wichtig für beide Teilprojekte sind neuere Diskussionsansätze in der Philosophie, die sich um die Frage drehen, wie „dick“ das Konzept von Autonomie ausfallen sollte, d.h. wie anspruchsvoll die Rahmenbedingungen beschaffen sein müssen, damit eine Entscheidung als selbstbestimmt gelten kann.