Professorin Dr. Birgit Emich
Alfried Krupp Senior Fellow
(Oktober 2015 – September 2016)
- Geboren 1967 in Jugenheim bei Darmstadt
- Studium der Geschichte und Politikwissenschaft in Freiburg
- Inhaberin des Lehrstuhls für Geschichte der Frühen Neuzeit
an der Friedrich Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Fellow-Projekt: "Die Geschichte des Informellen"
Netzwerke, Seilschaften, Klientelismus, Patronage – für informelle Beziehungen gibt es viele Bezeichnungen. Besonders positiv klingt keine von ihnen: Informalität gilt gemeinhin als Gegenbegriff zur korrekten Amtsführung. Zu verdanken ist das nicht zuletzt Max Weber, der unsere Sicht der Verwaltung und ihrer Geschichte stark geprägt hat: Bürokratisierung, so Weber, ist verbunden mit der zunehmenden Verdrängung personaler Aspekte, moderne Amtsträger haben ausdrücklich und ausschließlich ohne Ansehen der Person zu handeln.
Allerdings lehrt die moderne Organisationssoziologie, dass jede formale Organisation auch eine informelle Dimension aufweist: Ob Unternehmen oder Behörden – neben der schriftlich fixierten formalen Ordnung existiert immer ein Geflecht aus informellen Beziehungen, das für das Funktionieren der Organisation nicht weniger wichtig ist als die formalen Vorgaben. Zu fragen ist daher nicht nach der Verdrängung des Informellen im Sinne Webers, sondern vielmehr nach dem jeweiligen Verhältnis von Formalität und Informalität. In dieser Perspektive dürfte deutlich werden, dass Prozesse der Formalisierung stets neue Formen von Informalität hervorbringen und umgekehrt auch Prozesse der Informalisierung zu beobachten sind.
Was dies alles für die Verwaltungsgeschichte der Frühen Neuzeit bedeuten könnte, möchte ich im Rahmen dieses Projekts an italienischen und deutschen Beispielen aus der Frühen Neuzeit (1500-1800) untersuchen.