Professor em. Dr. Harald Kleinschmidt

Alfried Krupp Senior Fellow
(Oktober 2016 - September 2017) 

      • Geboren 1949 in Göttingen
      • Studium der Geschichte und Englischen Philologie in Göttingen und Amherst College, Amherst, MA, USA
      • Professor für Geschichte der internationalen Beziehungen an der (staatlichen) Universität Tsukuba, Japan (1989 – 2015)

          Fellow-Projekt: "Neue Dimensionen der Globalgeschichte"

          Die internationale, Welt- und Globalhistoriografie steht unter der Wahrnehmung der Welt als anarchisches politisches System und ist beherrscht von der Erwartung, dass dieses System nur stabil sein könne, solange es anarchisch bleibt. Dabei gilt Anarchie als Bezeichung nicht nur für Herrschafts-, sondern auch für Regellosigkeit. Dieser Theorie steht aber der empirische Befund entgegen, dass mehr als 95 % aller Verträge eingehalten werden, überall in der Welt, fast unter allen Bedingungen und seit ungefähr viereinhalb tausend Jahren, das heißt, solange es schriftliche Überlieferung gibt. Denn Verträge gehören zu den ältesten Urkunden, die Aussagen über internationale Beziehungen enthalten und setzen bei den kontrahierenden Parteien die Erwartung voraus, dass vertragliche Vereinbarungen als rechtlich bindend anerkannt sind. Gegenstand des Projekts ist die Genese dieses Widerspruchs zwischen Theorie und Empirie. Das Projekt nimmt den Gegenstand auf zwei Ebenen ins Visier, auf der eines Typs von Handlungen und der der historiografischen Beschreibungen dieses Typs von Handlungen.

          Auf der ersten Ebene steht die Frage nach Rechtssätzen im Vordergrund, denen weltweit wirkendes oder auf weltweite Wirkungen angelegtes Handeln unterworfen ist. Im besonderen sollen das allgemeine Gastrecht und seine Spezifizierungen durch das Gesandten- und das Seenothilferecht analysiert werden. Galt bis an die Wende zum 19. Jahrhundert in vielen Teilen der Welt das Naturrecht als ungesetzte Quelle dieser weltweit wirkenden Rechtssätze, so ergaben sich seither Probleme mit der Verallgemeinerungsfähigkeit und Legitimität von Sätzen, die durch vorsätzliche Rechtsakte gültig gesetzt werden. Auf der zweiten Ebene soll der Wandel der historiografischen Einstellungen zu normativ geregeltem, weltweit wirkendem oder auf weltweite Wirkungen angelegtem Handeln untersucht werden, der ebenfalls in den Jahren um 1800 stattfand und zu der derzeit herrschenden Wahrnehmung der Welt führte. Das Projekt soll schließlich die Interdependenzen zwischen beiden Ebenen bestimmen.


          Fellow-Bericht im Studienjahr 2016/17