Die Gestaltungsmöglichkeiten der Demokratie werden aus unterschiedlichen Gründen heraus in Zweifel gezogen. Ausgehend von der aktuellen, tendenziell szientistischen Kritik, die demokratischen Institutionen seien strukturell unfähig, auf die Klimakatastrophe angemessen zu reagieren („Die Natur verhandelt nicht!“), fokussiert der Vortrag zwei weitere problematische Entwicklungen: Erstens die Tendenz, Ausnahmeregelungen zu „normalisieren“ und damit Kontrollmechanismen zu umgehen. Zweitens das als Rudiment des Naturrechtsdenkens zu rekonstruierende Postulat, Ziel der Politik sei es, „richtige“ oder auch „alternativlose“ Lösungen zu finden. Vor diesem Hintergrund ist nicht nur zu fragen, ob derartige Grundannahmen überhaupt demokratiekompatibel sind. Es ist auch zu klären, inwieweit herkömmliche, identitätsorientierte Legitimationsmodelle dazu beitragen, die produktive Bedeutung von Differenz und Streit zu verdecken.
Steffen Augsberg studierte zwischen 1995 und 2000 Rechtswissenschaft in Trier und München. 2002 wurde er in Heidelberg promoviert, 2011 folgte die Habilitation in Köln. Danach war er zunächst Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insbesondere Recht des Gesundheitswesens, an der Universität des Saarlandes. Seit 2013 ist er Professor für Öffentliches Recht an der Justus-Liebig-Universität Gießen, seit 2016 zudem Mitglied des Deutschen Ethikrates. Im akademischen Jahr 2019/20 ist Steffen Augsberg Senior-Fellow am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald.
Moderation: Professor Dr. Joachim Lege