Öffentlicher Abendvortrag von Professor em. Dr. Reinhard Merkel (Hamburg)
Der Zustrom von Migranten seit dem vergangenen Jahr hat Staat und Gesellschaft in Deutschland mit neuartigen Problemen konfrontiert. Die meisten von ihnen sind ungelöst, nicht wenige darüber hinaus in ihren normativen Grundlagen noch nicht hinreichend verstanden. Welche Art von Pflichten haben „wir“ (und wer genau ist das?) gegenüber welchen Gruppen von Migranten? Gibt es Obergrenzen der Belastbarkeit der aufnehmenden Gesellschaft? Und wären dies nur Grenzen der finanziellen oder auch solche der mentalen Zumutbarkeit für die Bürger dieses Landes – ihrer Bereitschaft, sich mit Millionen „anderer“ innerlich zu arrangieren, die von vielen als fremd und von manchen als unheimlich empfunden werden? Gibt es ein Recht auf Erhalt einer nationalen Kultur, Identität und Lebensform (und was genau wäre das?) gegen ihre Veränderung durch die schiere Quantität des Zustroms von Menschen aus anderen Kulturen? Und welche Rolle spielt die Religion für solche Fragen? – Nicht diese Probleme zu lösen, aber sie in ihren Grundlagen transparent zu machen, ist das Ziel des Vortrags.
Reinhard Merkel studierte Rechtswissenschaft, Philosophie und Literaturwissenschaft in Heidelberg und München. Nach zwei juristischen Staatsexamina, Promotion und Habilitation war er Professor an den Universitäten Bielefeld und Rostock; seit April 2000 hat er den Lehrstuhl für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Hamburg inne. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Dogmatik des Strafrechts, rechtsphilosophische Grundlagenforschung, Theorien der Gerechtigkeit, Ethik und Recht der Medizin und der Neurowissenschaften sowie die Philosophie des Völkerrechts von Krieg und Frieden. Er ist Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften „Leopoldina“ und des Deutschen Ethikrats. Im Studienjahr 2013/2014 war Professor Dr. Reinhard Merkel Senior Fellow am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg.
Moderation: Professor Dr. Bärbel Friedrich