Verzeihen als Pflicht

Allen Menschen stellt sich irgendwann die Frage, ob sie erlittenes Unrecht verzeihen dürfen oder sollen. Gibt es Standards, nach denen man dies entscheiden kann? Kann es je falsch sein, anderen zu verzeihen? Und was bedeutet „verzeihen“ überhaupt? Wir möchten Kants Ethik für dieses Thema fruchtbar machen. Verzeihen ist nicht, wie oft angenommen, eine reine Gefühlsangelegenheit. Es ist praktisch und besteht in dem Vorsatz, jemandem, der uns Unrecht getan hat, wieder mit uneingeschränktem Wohlwollen zu begegnen. Es ist eine Art wohltätigen Handelns, auf das der Täter keinen Anspruch hat. Die Pflicht zu verzeihen setzt dabei keine Entschuldigung voraus, wohl aber die aufrichtige Überzeugung des Opfers, dass der Täter seine Tat nicht wiederholen wird. Selbstachtung gebietet, nicht leichtfertig zu verzeihen.

Kathleen A. Moran studierte an der Santa Clara University in Kalifornien und an der University of Pennsylvania. In ihrer Dissertation beschäftigte sie sich mit Kants Theorie des Höchsten Guts. Seit 2008 lehrt sie an der Brandeis University in der Nähe von Boston, Massachusetts.
Jens Timmermann wurde nach dem Studium in Göttingen und Oxford mit einer Arbeit zu Kants Theorie der Willensfreiheit in Göttingen promoviert und lehrt seit dem Jahr 2000 an der University of St Andrews in Schottland. Seit 2015 bekleidet er dort den Lehrstuhl für Moralphilosophie.
Beide forschen hauptsächlich zu Kants Praktischer Philosophie und sind im akademischen Jahr 2020/21 als Fellows am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg in Greifswald tätig. 

Moderation: Professor Dr. Micha H. Werner


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