Digitale Keynote: Grenzgebiet / Grenzgänger:innen / Grenzübergang – Zur ästhetischen Topographie der musikhistorischen Vielfalt
Montag, 18. März 2024, 17.30 Uhr
Öffentlicher Abendvortrag von Professor Dr. h.c. Philip V. Bohlman (University of Chicago) im Rahmen der internationalen Fachtagung "Music and History in Plural Societies – French-German Perspectives"
Wo entsteht die Nation? Woraus entsteht die Vielfalt ihrer Musik? Ihrer Geschichte? Ihrer Musiken und ihrer Geschichten? Im Gegensatz zu vielen Traditionen der Musikgeschichtsschreibung, die sich auf das Zentrum einer Nation beziehen, auf dominierende kanonische Repertoires oder auf Prozesse der Zentralisierung, suche ich in diesem Vortrag nach den Bedingungen für Vielfalt, Differenz und Prekarität, die in Grenzgebieten entstehen. Dabei geht es mir nicht um die Definition klar abgegrenzter Musikkulturen, sondern um die Sammlung ihrer grenzüberschreitenden Fragmente. Solche Fragmente gestalten die ästhetischen Topographien des Grenzgebiets, die mannigfaltigen Wege der Grenzgänger:innen, deren Vielfalt die Musikgeschichte ändert. Mein Ausgangspunkt des Vortrags lässt sich daher eher als Eingangspunkt verstehen, um die Vielfalt von Musik und Geschichte von innen zu verstehen. Die ästhetische Topographie des Grenzüberganges, die ich schildere, besteht aus fünf Prozessen, die ich hier skizzenhaft darstelle:
- Exklusiv / inklusiv
- Umwandeln (vermitteln) / durchgehen (transit)
- Beziehung / Begegnung
- Grenzgebiet / Grenzlandschaft
- Ort des rituellen Prozesses (Liminalität) / Ort des Alltags
Das hier vorgestellte Konzept der ästhetischen Topographie der musikhistorischen Vielfalt umfasst globale Dimensionen, die ich in diesem Vortrag vor allem mit Fallbeispielen aus den Grenzgebieten Mittel- und Osteuropas illustriere.
Philip V. Bohlman ist Ludwig Rosenberger Distinguished Service Professor am Music Department der University of Chicago sowie Honorarprofessor an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover. Er promovierte an der University of Illinois at Urbana-Champaign und wurde von der Romanian National University of Music Bucharest als Dr. h.c. ausgezeichnet. Zu seinen neueren Buchpublikationen zählen Wie sängen wir Seinen Gesang auf dem Boden der Fremde! (LIT Verlag, 2019), World Music: A Very Short Introduction (20202) und Wolokolamsker Chaussee (Bloomsbury 33 1/3, 2021). Er ist musikalischer Leiter des Kabaretts New Budapest Orpheum Society, das weltweit auftritt. 2022 wurde mit dem International Balzan Prize in Ethnomusicology ausgezeichnet.
Moderation: Professorin Dr. Gesa zur Nieden und Dr. Talia Bachir-Loopuyt
