Es ist viel Hitler in uns

„Es ist viel Hitler in Wagner“, stellte Thomas Mann nach 1945 in einem Briefwechsel mit dem Bühnenbildner Emil Preetorius fest. Der Kontext, in dem sich in Richard Wagners Werken Musik, Bild und Dramaturgie verbinden, war und ist zutiefst politisch zu denken und durch den Nationalsozialismus und Adolf Hitler kontaminiert.

Auch Hans-Jürgen Syberberg, der als einer der kompromisslosesten und unkonventionellsten Filmemacher Deutschlands gilt und in Vorpommern lebt, bezieht sich in seinem 1977 entstandenen und von Bernd Eichinger produzierten Film „Hitler – Ein Film aus Deutschland“ auf die Verbindung von Wagner und Hitler. Für das „Phänomen Hitler“ benutze er im Film keine dokumentarischen oder spielfilmartigen Mittel, sondern setzte seine eigene Ästhetik in Bild und Ton um. Syberberg sagt selbst über den Film „Ich bitte Sie, alles zu vergessen, was Sie bisher in Kinos gesehen und gehört haben. Es ist nichts als ein Film. Aus Deutschland. Das ist viel. Für mich alles. Was ich kann. Es geht um unser Leben und das ist kurz.“

Mit diesem ausschließlich im Studio gedrehten, siebenstündigen Film sorgte Syberberg vor fast 40 Jahren für heftige Diskussionen. Während die deutsche Presse der 1970er Jahre den Film größtenteils ablehnte, wurde er außerhalb von Deutschland gefeiert. Susan Sonntag, Schriftstellerin und eine der führenden Denkerinnen Amerikas, bezeichnete den Film als „das ehrgeizigste symbolische Kunstwerk unseres Jahrhunderts“.

Durch Schauspieler wie Heinz Schubert, Peter Kern, Hellmut Lange und André Heller, in Verbindung mit Puppen und wechselnden Bild- und Tonebenen, versucht Syberberg, sich der Figur Hitlers zu nähern, allerdings nicht biografisch, sondern als Collage unterschiedlicher Symbole mit einer Vielzahl an visuellen Anspielungen auf die deutsche Geschichte. Dabei werden die Quellen Hitlers in uns erforscht wie die „romantische Unendlichkeitssehnsucht, christliche Opfermythologien, der Glaube an die Kunst als eine Art Religion, sehr deutsche Vorstellungen vom Politiker als Priester der Nation und Vollstrecker der Vorsehung sowie die Idee, man müsse sich irgendwie aus der christlich-jüdischen Tradition befreien, indem man auf esoterischen Winkelpfaden zum Germanengeist zurückfindet“ (Die Welt). Diese subtil angelegte und motivorientierte Analyse zeugt von Syberbergs fester Überzeugung, dass nur dann, wenn wir als Zuschauer Hitler in uns freilegen, wir uns einerseits der Gefahr bewusst werden, die immer noch von ihm ausgeht, und andererseits zu einer tiefempfundenen Trauer vorstoßen, die um die Katastrophe weiß und gerade deshalb kathartische Wirkung besitzt.

Anlässlich des 80. Geburtstags von Hans-Jürgen Syberberg am 8. Dezember 2015 zeigen der ART7 Kunstverein, das Theater Vorpommern und das Alfried Krupp Wissenschaftskolleg das Meisterwerk erstmalig in Greifswald in voller Länge. Im Vorfeld findet ein Gesprächsabend mit Hans-Jürgen Syberberg und Eugen Blume (Leiter des Hamburger Bahnhofs – Museum für Gegenwart in Berlin) zum Film und seiner Rezeption statt.

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Freitag, 12. Februar 2016, 18.00 Uhr
Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald

Pressegespräch
mit Dr. Hans-Jürgen Syberberg, Professor Dr. Eugen Blume (Leiter des Hamburger Bahnhofs – Museum für Gegenwart in Berlin), Dr. Christian Suhm (Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald), Manfred Dietrich (ART7 Kunstverein)

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Freitag, 12. Februar 2016, 18.00 Uhr
Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald
Gesprächsabend

mit dem Regisseur Dr. Hans-Jürgen Syberberg und Professor Dr. Eugen Blume (Leiter des Hamburger Bahnhofs - Museum für Gegenwart in Berlin) über den Film "Hitler - Ein Film aus Deutschland" und seine Rezeption
Eintritt frei

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Dienstag, 16. Februar 2016 und Mittwoch, 17. Februar 2016
Beginn jeweils um 18.00 Uhr, Ende 22.30 Uhr, mit Pausen
Theater Vorpommern

Vorführung

des Films "Hitler – ein Film aus Deutschland"
Eintritt für beide Abende: 20,- Euro / ermäßigt 12,- Euro