Bis vor kurzem dachte man, dass ohne den Cortex, also die Hirnrinde, von Säugetieren höhere Denkprozesse nicht möglich sind. Doch jetzt wurde entdeckt, dass auch Vögel ohne Cortex Denkleistungen erbringen können, die auf dem Niveau von Schimpansen liegen. So können Häher in die Zukunft planen, Krähen bauen komplexe Werkzeuge und Elstern erkennen sich selbst im Spiegel. Die neuen Erkenntnisse zeigen, dass Vögel zwar keinen Cortex besitzen, dass ihr Vorderhirn aber aus vergleichbaren Zelltypen besteht wie der Cortex des Menschen. Zudem finden wir ähnliche neurobiologische Mechanismen im Gehirn von Vögeln und Säugetieren. Erstaunlicherweise entstehen die meisten dieser Ähnlichkeiten aber nicht durch ein gemeinsames Erbe, sondern entwickelten sich im Verlaufe der Evolution in nahezu identischer Art und Weise – sowohl bei Vögeln als auch bei Säugetieren. Intelligente Gehirne sind somit mehrfach in der Evolution entlang ähnlicher Prinzipien entstanden.
Über den Verlauf der Evolution des Denkens spricht Professor Dr. Onur Güntürkun am 7. April 2015 um 18.00 Uhr im Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald.
Onur Güntürkün ist Professor für Biopsychologie an der Ruhr-Universität Bochum und gilt als einer der führenden Hirnforscher. Nach dem Abitur in der Türkei studierte und promovierte er Psychologie in Bochum, bevor er einen Ruf auf den Lehrstuhl für Biopsychologie in Bochum bekam. Er ist Mitglied der Nationalen Akademie Leopoldina und erhielt verschiedene Auszeichnungen wie z. B. den Alfried Krupp-Preis, die Wilhelm Wundt-Medaille, die Verdienstauszeichnung des türkischen Parlaments, den Leibniz- sowie den Communicator-Preis. In seiner Forschung versucht er zu verstehen, wie das Denken bei Menschen und anderen Tieren im Gehirn entsteht. Mit dem Vortrag wird auch die Reihe „Nachdenken über Wissenschaft“ eröffnet, die die Zuhörer mit philosophischen und ethischen Fragestellungen vertraut machen soll. Im Sommersemester 2015 liegt der Schwerpunkt der Veranstaltungsreihe auf Themen der Neuro- und der Technikphilosophie.
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