Bekanntlich hatte Immanuel Kant gelehrt, dass „die Dinge an sich“ nicht erkennbar seien, denn unser Erkenntnisapparat entscheidet im Zusammenspiel mit kognitiven Strategien der Informationsverarbeitung, wie wir die Welt wahrnehmen. Bilder entstehen ausschließlich im Gehirn, und zwar nur im eigenen – genauso wie alle anderen Formen von Bedeutung. So gesehen konstruieren wir uns die Welt, in der wir leben, und zwar jeder einzelne für sich. Informationsaustausch ist nicht möglich. Folglich gibt es so viele Welten, wie es konstruierende Gehirne gibt. Und diese Welten sind so unterschiedlich, wie die Gehirne unterschiedlich sind, die sie hervorbringen. Wir sind unentrinnbar im Subjektiven verhaftet, und deshalb scheint auf nichts Verlass, auch nicht auf das, was zur unverzichtbaren Basis unserer alltäglichen Lebenspraxis gehört: dass es Farben gibt oder Zeit, ein substanzielles Ich, eine Unterscheidung von Gut und Böse oder auch Freiheit. Letztlich ist nicht einmal sicher, dass es überhaupt eine Welt außerhalb unseres Bewusstseins gibt. Alles scheint kontingent und beliebig. Andererseits gilt seit Charles Darwin, dass der Affe, der keine realistische Vorstellung von dem Ast hatte, nach dem er sprang, bald ein toter Affe war und deshalb nicht zu unseren Vorfahren gehört. Sind wir durch die Evolution also zu Realisten geformt? Aber wie kann das sein, wenn doch die „Dinge an sich“ nicht erkennbar sind? Wie passen Kant und Darwin zusammen?
Professor Dr. Eckart Voland wurde 1949 in Hannoversch Münden geboren und studierte Biologie und Sozialwissenschaften an der Universität Göttingen. Seit 1995 ist er Professor für Philosophie der Biowissenschaften an der Universität Gießen. Von Oktober 2012 bis September 2013 ist er Alfried Krupp Senior Fellow. Die Forschungsarbeiten von Professor Voland liegen auf den Gebieten der Evolutionären Anthropologie, der Biophilosophie und der historischen Demographie.
Moderation: Dr. Christian Suhm
Alles Konstruktion! Oder nicht? − Kant meets Darwin
Öffentlicher Abendvortrag
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