Es ist noch früher Morgen, da reitet Napoleon schon los. Es geht bergauf, die Truppen folgen mit Trommelklang und richtungweisenden Offizieren. Napoleon schaut nicht nach vorn, nur das Pferd blickt zum Betrachter. Ist der Mann mit dem gelben Handschuh überhaupt Napoleon? Sitzt nicht eher ein Symbol auf dem Pferd, das selbst das Symbol eines springenden Rosses ist? Hier reitet ein Votivbild, eine Heiligenfigur vorbei, ein heiliger Georg ohne Drachen. Oder ist Napoleon selbst der Drache? Dieses seltsame Bild, 1808 in Paris gemalt, wirft zahlreiche Fragen über die malerische Praxis junger Künstler in der französischen Hauptstadt um 1800 zwischen Faszination, Ratlosigkeit und Kompilation auf.
Bénédicte Savoy (*1972 Paris) studierte Germanistik an der École Normale Supérieure in Paris und promovierte 2000 mit einer Dissertation über Napoleons Kunstraub, für die sie 2003 den Pierre-Grappin-Preis erhielt. Seit 2003 ist sie Professorin für Kunstgeschichte an der Technischen Universität Berlin. Zahlreiche Publikationen sind zu Themen des Kunst- und Kulturtransfers im 18. und 19. Jahrhundert in Europa sowie zur Museums- und Sammlungsgeschichte entstanden. 2010/2011 kuratierte sie die Ausstellung „Napoleon und Europa. Traum und Trauma“ in der Bundeskunsthalle. Bénédicte Savoy wurde 2011 mit dem Richard-Hamann-Preis für Kunstgeschichte der Philipps-Universität Marburg ausgezeichnet, im selben Jahr erschien Nofretete. Eine deutsch-französische Affäre 1912-1931.
Moderation: Professor Dr. Kilian Heck