Moritz von Schwind stellte sich selbst in seinem frühen Hauptwerk „Der wunderliche. Heilige“ die Aufgabe, nicht ein Werk der Dichtkunst zu illustrieren, sondern eine selbst erdachte Geschichte im Medium der Malerei zu erzählen. Die Geschichte zweier Brüder, die sich aus enttäuschter Liebe in eine Einsiedelei zurückziehen, entfaltet sich in einer Rahmenhandlung, die in großformatigeren „Zustandsbildern“ in einer nur scheinbar harmlosen Idylle kulminieren. Der Vortrag analysiert Schwinds Erzählstrategie, die vom Betrachter nicht nur eine rezeptive, sondern kreative Phantasie im Nachvollzug der Novelle fordert. In einem weiteren Schritt werden Vergleiche mit der Bildtradition der Einsiedlerthematik sowie zahlreichen in der zeitgleichen Literatur – z. B. bei Eichendorff – geprägten Motiven gezogen. Eine ganze Reihe von Indizien stellen dabei die etablierten Klischeevorstellungen biedermeierlicher Beschaulichkeit in Frage, wenn Schwind die Idylle mit romantischer Ironie als trügerisch charakterisiert.
Andrea Gottdang ist Professorin für Kunstgeschichte an der Universität Salzburg. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der venezianischen Malerei des 18. sowie der deutschen Malerei des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Ihr besonderes Interesse für die Wechselbeziehungen zwischen den Künsten fand u. a. in ihrem 2005 erschienenen Buch „Vorbild Musik. Die Geschichte einer Idee in der Malerei im deutschsprachigen Raum. 1780-1915“ seinen Niederschlag.
Moderation: PD Dr. Ulrich Fürst