Die Erinnerung an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus unterliegt 70 Jahre nach dem Untergang des NS-Staates keinem lebensgeschichtlichen, aber auch keinem antiquarischen und zunehmend weniger einem identifikationsstiftenden aktuellen, präsentistischen Interesse. Zugleich wird die Deutung des Widerstands gegen den Nationalsozialismus von den Tendenzen der allgemeinen Historisierung der NS-Zeit beeinflusst. Richtig verstanden, lässt er sich in politisch-pädagogischer Perspektive auch als Einladung zum weltanschaulichen, historischen, generationellen Brückenschlag nutzen. Denn es geht längst nicht mehr um das generationsspezifische Werben für eigene Traditionen, Positionen und Legitimierungen, sondern um die Öffnung für alternative, andere, fremde Traditionen, die sich im Miteinander bewähren. Besonders deutlich wird dies im Kreisauer Kreis, aber auch im Blick auf die Helfer verfolgter Juden, die lange Zeit außerhalb eines würdigenden Gedenkens standen. Toleranz erweist sich in der Offenheit für die Geschichte in der Breite und Vielfalt, in ihrer Widersprüchlichkeit. Gesellschaften sind vielfältig – jeder Regimegegner reagierte aus den spezifischen Prägungen und Kontexten auf Zumutungen des NS-Systems. Dies gilt es zur Kenntnis zu nehmen und zur Herausforderung für die Konditionierung der Koordinaten humaner Orientierung werden zu lassen.
Peter Steinbach ist Historiker und Politikwissenschaftler. Er lehrte als Professor für Politikwissenschaft bzw. Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Passau, an der Freien Universität Berlin, an der Universität Karlsruhe und an der Universität Mannheim. Seit 1983 ist Peter Steinbach wissenschaftlicher Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand zu Berlin und Vorsitzender des Internationalen Beirats der Stiftung Topographie des Terrors. Von 2004 bis 2007 war er auch kommissarisch der wissenschaftliche Direktor dieser Dtiftung.
Begrüßung: Professor Dr. Bärbel Friedrich
Moderation: Professor Dr. Thomas Stamm-Kuhlmann