Prägend für mittelalterliche Zukunftsvorstellungen ist die religiöse Idee der Endzeit, die in einer Serie von Katastrophen und Kriegen das kommende Weltgericht ankündigt. Als zentrales Medium für die Offenbarung dieser endzeitlichen Zukunft fungieren in der christlichen Überlieferung der Johannes-Apokalypse das Buch mit den sieben Siegeln, dessen Öffnung eine Folge von bedrohlichen Visionen auslöst, das Büchlein, das Johannes aus der Hand eines Engels empfängt und verschlingt, oder die Bücher, die beim Jüngsten Gericht hervorgeholt werden und das Urteil über Verdammung oder Erlösung bestimmen. Die Inszenierung dieser Bücher ist ein prominentes Thema mittelalterlicher Bildkunst. Dabei geht es immer auch um unterschiedliche Verhältnisbestimmungen zwischen historischer Gegenwart und endzeitlicher Zukunft.
David Ganz hat in Heidelberg, Marburg und Bologna Kunstgeschichte studiert und seine Promotion 2000 an der Universität Hamburg abgeschlossen. 2006 habilitierte er sich an der Universität Konstanz, seit 2013 ist er Lehrstuhlinhaber für Kunstgeschichte des Mittelalters an der Universität Zürich. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Ästhetik und Symbolik des Buches, der Geschichte endzeitlicher Visionsbilder und der Medialität künstlerisch gestalteter Hüllen und Gewänder.
Moderation: Professor Dr. Monika Unzeitig
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Vortragsreihe: „Zukunft im Mittelalter“
Wie Sebastian Brant im 65. Kapitel seines 1494 gedruckten Narrenschiffs ausführt, bestimmte der Wunsch nach Berechenbarkeit der Zukunft mithilfe von Sternenkonstellationen nur allzu sehr den Alltag der Menschen. Aus kirchlicher Sicht praktizierten die vermeintlichen Wahrsager aber Teufelskunst. Nicht der Aberglaube sollte das Leben des Christen bestimmen, sondern allein sein Vertrauen auf Gott. Der christliche Glaube war bestimmt von der eschatologischen Erwartung, dass Gott nicht nur über das Weltgeschehen, sondern beim Jüngsten Gericht auch über das jenseitige Schicksal des Menschen entscheidet. Umso bedeutsamer war somit die Vorbereitung des Menschen auf den Tod.
In dieser Spannbreite zwischen Zukunftshoffnung, imaginierten Zukunftskonstruktionen und Zukunftsangst, verbunden mit Visionen vom Jüngsten Gericht, werden die Vorträge mittelalterliche Zukunftsvorstellungen in Schrift und Bild aus den Bereichen von Kunst, Religion, Literatur und Geschichte behandeln.
Termine:
Montag, 22. Oktober 2018, 18.15 Uhr
» Die Zukunft der Bücher. Der Codex als Medium endzeitlicher Offenbarung
Professor Dr. David Ganz (Universität Zürich)
Montag, 5. November 2018, 18.15 Uhr
» Planen und Entscheiden. Zukunftskonzepte in frühen deutschsprachigen Prosaromanen
Privatdozentin Dr. Susanne Knaeble (Technische Universität Braunschweig)
Montag, 19. November 2018, 18.15 Uhr
» Der Kaiser und die Teufel. Die Darstellung der Seelenwägung Heinrichs II. in Kirchen auf Gotland
Professor Dr. Gerhard Weilandt (Universität Greifswald)
Montag, 3. Dezember 2018, 18.15 Uhr
» Zukunftsangst in der altisländischen Brennu-Njáls saga
Dr. Anita Sauckel (University of Iceland)
Montag, 7. Januar 2019, 18.15 Uhr
» Die Schau ins Künftige. Bilderrealitäten an spätmittelalterlichen Altarretabeln
Professor Dr. Susanne Wegmann (Technische Hochschule Köln)
Montag, 21. Januar 2019 , 18.15 Uhr
» Die Zukunft der ganzen Welt. Spätmittelalterliche Judicia anni und die Ordnung des Wissens über die Zukunft
Professor Dr. Klaus Oschema (Ruhr-Universität Bochum)
Der Eröffnungsvortrag am 22. Oktober 2018 findet im Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald, Martin-Luther-Straße 14, statt. Die weiteren Vorträge finden im Hörsaal 2
in der Rubenowstraße 1 (Audimax) statt.
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Das Mittelalterzentrum Greifswald
Das Mittelalterzentrum Greifswald (gegründet 1995) ist eine Vereinigung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aller Fakultäten ebenso wie Mitgliedern außeruniversitärer Einrichtungen, die fächerübergreifend forschen, lehren und publizieren. Das Zentrum ist Träger des universitären Forschungsschwerpunkts „Kultur des Mittelalters“. Seine Aktivitäten gelten allen Aspekten mittelalterlichen Lebens und behandeln in verschiedenen Formaten wie Vortragsreihen, Tagungen und Studientagen aktuelle Themen und Forschungsfragen.
Das Mittelalterzentrum steht nicht nur promovierten und habilitierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern offen: Als Mitglied kann sich jede/r auf dem Gebiet der Mediävistik Graduierte registrieren lassen.
Kontakt
Professor Dr. Monika Unzeitig (Sprecherin)
Lehrstuhlinhaberin für Ältere deutsche Sprache und Literatur
mittelalterzentrum@uni-greifswald.de
Tel. +49 3834 420-3438 oder 420-3402
www.phil.uni-greifswald.de/forschung/schwerpunkte/maz/
Institut für Deutsche Philologie der Universität Greifswald
Rubenowstraße 3, 17487 Greifswald