Für das Komponieren seit den 1950er Jahren stellte sich musikalische Tradition als - so Adorno - „Kanon des Verbotenen“ dar; Boulez schrieb sogar ausdrücklich einen Aufsatz „Zum Lobe des Gedächtnisschwundes“. Diese Traditionslosigkeit wurde dann seit den 1970er Jahren durch ein Komponieren ab- und aufgelöst, das Musikgeschichte entqualifizierte und als „Material“ nutzte. Paradoxerweise konnte ein solches „avantgardistisches“ Komponieren stets als „Problemgeschichte des Komponierens“ rekonstruiert werden, die jedoch zu gravierenden historiographischen Problemen und zu einem neuerlichen Geschichtsverlust führte, die der Vortrag zu skizzieren versucht.
Giselher Schubert (*1944 in Königsberg) ist Honorarprofessor der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main. Er studierte Musikwissenschaft, Soziologie und Philosophie an den Universitäten in Bonn, Berlin und Zürich und veröffentlichte zahlreiche Arbeiten zur Musik, Musiktheorie und Musikästhetik vor allem des 19. und 20. Jahrhunderts. Heute arbeitet Professor Schubert als Editionsleiter, seit 2005 auch als Herausgeber der Hindemith-Gesamtausgabe im Hindemith-Institut in Frankfurt am Main, dessen Leitung er 1991 übernahm.
Moderation: Professor Dr. Walter Werbeck