Zahlreiche Veröffentlichungen einschließlich vieler Bildbände beschäftigen sich mit der Geschichte der Medizin und der historischen Darstellung von Diagnostik und Therapie menschlicher Erkrankungen in Wort und Bild. Dabei besteht ein Übergewicht zugunsten operativer Eingriffe. Deutlich seltener beschäftigte man sich mit der Analyse von bildlichen und/oder literarischen Beschreibungen von Krankheiten, die zu der Zeit in der Medizin noch nicht bekannt waren. Das betrifft vor allem internistische und neurologisch-psychiatrische Erkrankungen. Solche Erörterungen finden sich bis zum Ende des 14. Jahrhunderts eher selten. Ab Beginn des 15. Jahrhunderts malte eine zunehmend größere Zahl der Künstler nach Beobachtung, nicht mehr nach subjektiver Vorstellung. Selbst in der Darstellung religiöser oder historischer Ereignisse ist erkennbar, dass man mit Modell arbeitete. Daraufhin wurden viele Krankheitszustände beschrieben oder gemalt, die den medizinischen Fachkreisen erst in der Neuzeit auffielen. Die Ärzte waren nachhaltig in den mittelalterlichen Dogmen verfangen; sie brauchten über 300 Jahre länger, sich der Realität zu stellen. Im Vortrag werden anhand von fast 100 Bildern die Ergebnisse einer über 10-jährigen Recherchearbeit unter Mithilfe von mehr als 20 europäischen und nordamerikanischen Kunstsammlungen dargestellt.
Gerhard Reichel (*1943) ist seit 2006 Chefarzt des Kompetenzzentrums für Bewegungsstörungen an der Paracelsusklinik Zwickau. Er hat Medizin an der Medizinischen Hochschule Charkow/Ukraine studiert. Nach seiner Promotion an der Friedrich-Schiller-Universität Jena zum Thema Klinische und elektromyografische Untersuchungen bei peripheren Fazialisparesen, erhielt er 1972 seinen Facharzt im Berich Neurologie und Psychiatrie an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Neurologie „Hans Berger“ in Jena. Gerhard Reichel habilitierte sich 1976 an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Von 1985 bis 1992 war er Professor für Neurologie und Psychiatrie und Direktor der Klinik für Neurologie und Psychiatrie an der Medizinischen Hochschule Erfurt, bevor er anschließend an die Paracelsus Klinik in Zwickau wechselte.
Moderation: Dr. Christian Suhm