Gegenrede (engl. counter-speech) als Praktik in der digitalen Interaktion ist pragmalinguistisch kaum erforscht. In den letzten Jahren avancierte sie zu einem wichtigen Mittel in der Debattenkultur, der vielfach – mit Blick auf Phänomene wie Fake News, Hate Speech, Verschwörungstheorien und den impliziten und expliziten Ausdruck von Extremismus – Verrohungstendenzen zugeschrieben werden.
Gegenrede ist prosoziale Anschlusskommunikation, die direkt auf diskriminierende Ereignisse und Akte, herabwürdigendes und verletzendes Sprechen oder allgemein auf symbolisch oder sprachlich ausagierte Ideologien der Ungleichwertigkeit reagiert. Dabei sind deren Inhalte, Zweck und Adressat*innen abhängig vom konkreten Äußerungskontext (Rieger/Schmitt/Frischlich 2018: 464 und Benesch et al. 2016: 5).
Die Erwartungen, die gesamtgesellschaftlich an das Counter-Speech-Konzept gerichtet werden, sind recht unterschiedlich: Durch das Dagegen-Reden sollen (digitale) Zivilcourage und Solidarität gezeigt (Iganski 2020), (politische) Gegner*innen überzeugt oder zum Nachdenken angeregt, Betroffene empowert, Mitlesende aktiviert, pädagogisch angemessen interveniert, Radikalisierungsprozessen entgegnet und extremistische, antidemokratische Diskurse eingehegt werden (vgl. Baider/Kopytowska 2018: 10-14).
Gegenrede bzw. Counter Speech stellt sich damit als komplexer und heterogener linguistischer Untersuchungsgegenstand dar, der mit Blick auf eine Vielzahl an Fragestellungen bearbeitet werden kann, z.B.:
- Theoretische und historische Konzeptionalisierungen von Counter Speech
- Möglichkeitsbedingungen, Formen und Funktionen von Gegenrede analog/digital
- Modi der Gegenrede-Praktiken in der Interaktion
- Textsorten und Gattungen von der Gegenrede bis zum Gegennarrativ
- Pragma-dialektische und rhetorische Verfahren der Gegenrede
- Argumentationsmuster und Topoi in Counter-Speech-Diskursen
Kontakt Tagungsleitung:
Sebastian Zollner
Universität Greifswald
Arbeitsbereich Germanistische Sprachwissenschaft
Institut für Deutsche Philologie
Rubenowstraße 3 - Raum 2.11
17487 Greifswald
Tel.: +49 3834 420 3420
sebastian.zollneruni-greifswaldde
Die aufgezeichneten Vorträge finden Sie nach und nach in der Mediathek des Kollegs. Dort ist eine Anmeldung mit dem Benutzernamen und Passwort notwendig, welches Sie bei der Anmeldung per E-Mail erhalten haben.
PROGRAMM am 25. Februar 2021
09.00 – 09.15 Uhr Begrüßung & Einführung
09.15 – 10.15 Uhr Öffentliches Webinar
Keynote: Widerrede als Fürsprache? Überlegungen zur Doppelgesichtigkeit von Empörung
Ingo Warnke, Bremen
10.15 – 10.45 Uhr - Pause -
10.45 – 11.15 Uhr Austausch zum Vortrag
Gegenrede als Gegenreden. Zur Verwendung von wörtlicher und imaginierter Rede in Tarnschriften des linken Widerstands
Nicole Wilk, & Friedrich Markewitz, Paderborn
11.15 – 11.45 Uhr Austausch zum Vortrag
Gegennarrative: ›Reclaiming‹ als postmigrantische Strategie des Widerstands
Rahel Cramer, Sydney, Jara Schmidt & Jule Thiemann, Hamburg
11.45 – 12.15 Uhr Austausch zum Vortrag
Diskursive Ordnungen und subjektive Agency im Kontext der Integrationskurse: ‚Widersprechen‘ aus einer kulturwissenschaftlichen Perspektive im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache
Rebecca Zabel, Greifswald
Materialien zum Vortrag: PowerPointPräsentation als PDF-Datei,Transkription, Scan
12.15 – 13.15 Uhr - Pause -
13.15 – 15.15 Uhr Gegenrede-Workshops
- #ichbinhier-Bootcamp (ichbinhier e.V.)
- Das Argutraining – #Wieder_sprechen für Demokratie (Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V.)
- Digitales Argumentationstraining gegen Stammtischparolen (Max Barnewitz, Netzwerk politische Bildung Bayern)
15.15 – 15.30 Uhr - Pause -
15.30 – 16.15 Uhr Kaffee-Schnack mit Reflexion zu den Workshops
16.15 – 18.00 Uhr - Pause -
18.00 – 18.45 Uhr Öffentliches Webinar
Keynote: Was tun gegen Hass im Netz? Zur Rolle von Gegenrede als Präventionsmaßnahme Diana Rieger, München
18.45 – 19.00 Uhr - Pause –
19.00 – 20.00 Uhr Öffentliches Webinar
Podiumsdiskussion "Gegenrede konkret"
- Ingo Warnke und Diana Rieger
- Renate Künast (MdB, B90/Die Grünen)
- Hanna Gleiß (DAS NETTZ)
- Thomas-Gabriel Rüdiger (Cyberkriminologie)
- Johannes Baldauf (Facebook)
PROGRAMM am 26. Februar 2021
09.15 – 10.15 Uhr Impuls aus der Schlichtungspraxis
Jolanda Spiess-Hegglin (NetzCourage)
10.15 – 10.45 Uhr - Pause -
10.45 – 11.15 Uhr Austausch zum Vortrag
Rassismus widersprechen auf Twitter
Sebastian Zollner, Greifswald
11.15 – 11.45 Uhr Austausch zum Vortrag
Gegenrede in Debatten über Political Correctness - korpuslinguistische und sequenzanalytische Zugänge
Friederike Fischer, Jan Langenhorst & Simon Meier-Vieracker, Dresden
11.45 – 12.15 Uhr Austausch zum Vortrag
Argumentieren gegen das Beschämen in sozialen Netzwerken
Olaf Gätje, Kassel
12.15 – 13.15 Uhr - Mittagspause –
13.15 – 13.45 Uhr Austausch zum Vortrag
Reden über Gegenrede. Ein metapragmatischer Zugang
Konstanze Marx, Greifswald
13.45 – 14.45 Uhr Projektgalerie
Präsentation studentischer Projekte
14.45 – 15.00 Uhr Abschlussrunde, Feedback und Verabschiedung