Das seit dem Mittelalter bekannte Narrativ der göttlich befähigten Inspiration eines Künstlers (seltener einer Künstlerin) erfuhr im Zuge einer neuen Ausformung der Genieästhetik im langen 19. Jahrhundert diverse Veränderungen. Ziel des Vortrags ist es aufzuzeigen, dass und auf welche Weise Narrative rund um den von der Inspiration getragenen Akt des Komponierens einem Darstellungswandel unterlagen. Ausgehend von stilistisch noch gebrochenen Darstellungen in den 1800er Jahren erscheinen die Narrative später direkt als Zuschreibungen von künstlerischen Selbstkonzepten und können in mehr oder weniger fingierten Selbstdarstellungen von Komponisten nachgezeichnet werden.
Stefanie Acquavella-Rauch ist Juniorprofessorin für Musikwissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und im Projekt Christoph Willibald Gluck – Sämtliche Werke der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im weiten Feld der (Musik)Editorik und Digitalität, im Komplex des musikästhetischen Denkens und der musikalischen Schaffensprozesse (insbesondere bei Arnold Schönberg) sowie bei musiksoziologischen und -historiographischen Fragen, etwa bezogen auf die Geschichte der Zupfmusik oder auf verschiedene Themen im 18. Jahrhundert.
Moderation: Professor Dr. Birger Petersen
anschließend um 20.00 Uhr im Dom St. Nikolai:
Deutsche Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
unter der Leitung von Landeskirchenmusikdirektor Professor Frank Dittmer (Greifswald)