Fundamentalistische Ideologien gehören heutzutage zu den größten Herausforderungen der westlichen Gesellschaften, nicht zuletzt deshalb, weil sie der Nährboden für Terrorismus sind. Der Terrorismus provoziert wiederum Reaktionen und Gegenmaßnahmen, die ihrerseits die Werte und Institutionen einer freiheitlichen Demokratie und des Rechtsstaates bedrohen. Es wäre aber theoretisch voreilig und praktisch gefährlich, wenn man fundamentalistische Überzeugungen nur auf politische Leidenschaften, ideologische Verblendung oder Irrationalität zurückführen wollte.
In dem Vortrag soll dagegen die These entwickelt werden, dass sich die Entstehung und Verbreitung fundamentalistischer Überzeugungen in vielen Fällen als Prozesse individuell rationaler Anpassung an extreme Lebensbedingungen und als Folge einer defizienten „epistemischen Umwelt“ erklären lassen. Unter solchen Bedingungen kann dem Einzelnen eine alternative und differenzierte Weltsicht systematisch versperrt sein. Aus dieser Sichtweise ergeben sich auch neue Schlussfolgerungen über die Erfolgsbedingungen praktischer Strategien im Umgang mit Anhängern fundamentalistischer Weltanschauungen.
Moderation: Dr. Christian Suhm
Michael Baurmann (*1952 in Aachen) ist Professor für Soziologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Zu seinen Forschungsscwerpunkten zählen die allgemeine soziologische Theoriebildung (insbesondere Rational-Choice-Ansätze), die Soziologie der Marktgesellschaft, Sozialkapital und Vertrauen sowie Fundamentalismus und Extremismus. Professor Baurmann ist derzeit Fellow am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg und forscht zum Thema „Fundamentalismus und Rationalität“