Das Bild des Kosakentums war in der russischen Kultur stets ambivalent: Einerseits schienen die Kosaken als „freie Krieger“ einem ausgeprägten Autonomiestreben verhaftet, andererseits bildeten sie als gesonderter Militärstand im Zarenreich eine zuverlässige Stütze von Autokratie und imperialer Staatlichkeit. Nach dem Zerfall der Sowjetunion kehrte das politisch längst vergessen geglaubte Kosakentum in die politische Arena der Russländischen Föderation zurück. Die zu Beginn der neunziger Jahre gegründeten Kosakenverbände zählen mittlerweile Hunderttausende von Mitgliedern, mehr als eine Million Menschen haben sich bis dato in das unter Präsident Vladimir Putin geschaffene, staatliche Kosakenregister eingetragen. Im Zeichen einer imperialen Rückbesinnung unterstützt der russländische Staat das neuerstandene Kosakentum somit in seinen konservativen Werten, versucht aber gleichzeitig, es für seine Ziele zu nutzen. Vor diesem Hintergrund erläutert der Vortrag historische Vorbilder, Identitätskonzepte und Programmatik der aktuellen Kosakenbewegung.
Lars Karl studierte Osteuropäische Geschichte und Politikwissenschaft in Tübingen, Moskau und Helsinki. Er forschte und lehrte an der University of Massachusetts in Amherst, am Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) Potsdam sowie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit 2011 ist er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Geisteswissenschaftlichen Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas (GWZO) der Universität Leipzig und im akademischen Jahr 2015/16 Junior Fellow am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Kulturgeschichte Russlands und des Kaukasus, zeitgenössische Fragen der postsowjetischen Geschichtspolitik und Erinnerungskultur sowie die Film- und Mediengeschichte Osteuropas.