Professor em. Dr. Reinhard Merkel, Lehrstuhl für Strafrecht und Rechtsphilosophie (Hamburg): „Ethische Implikationen einer zunehmenden Technisierung“
Professor Dr. Joachim Hertzberg, Institut of Computerscience (Osnabrück): „Künstliche Intelligenz“
Utopien von intelligenten "Automaten" gibt es seit der Antike. Das Wissenschaftsgebiet Künstliche Intelligenz (KI) wurde seit seinen Anfängen in den 1950er Jahren in den Kontext dieser Utopien gestellt. Immer wieder waren diese Bezüge hämisch in dem Sinne "Schaut, wohin die KI will; und seht, wie armselig ihre Erträge sind!" Seit einigen Jahren wandelt sich das grundlegend: Nun wird Vielen klar, dass das Forschungsprogramm der KI über Jahrzehnte tatsächlich dahin führen könnte, wohin es schon immer zielte -- und nun sind die Bezüge ängstlich in dem Sinne "Schaut, wo die KI ist; und stellt Euch vor, dass wir wirklich Computer und Maschinen bekommen, die wissen, was sie tun!"
Die Gesellschaft muss wissen oder doch wenigstens nachdenken, was sie will. Wenn wir einst intelligente Maschinen bauen können, die unseren Alltag mit uns meistern -- wollen wir sie haben? Wollen wir, dass sie uns wie Sklaven dienen? Haben wir Angst, dass sie uns anders herum beherrschen? Was wird aus unserer Arbeit, wenn sie sie tun können? Was sind wir Menschen Wert, wenn Maschinen nicht mehr nur noch stärker und schneller, sondern nun auch "schneller im Kopf" sind? Und nicht zuletzt -- ist das überhaupt eine Zukunft die eintreten wird? Sollten wir solche Maschinen wollen? Wollen wir die KI-Forschung, aus der sie entstehen könnten oder entstehen werden? Werden sie entstehen, wenn die KI-Forschung weiter läuft, und wann?
Juniorprofessor Dr. Stephanie Gripentrog, Empirische Religionswissenschaft (Greifswald): „Medien im arabischen Frühling“
Im November 2016 wählte das wichtigste Wörterbuch der Welt, das Oxford English Dictionary, das Wort „post-truth“ zum Wort des Jahres. Man definierte das Adjektiv “as ‘relating to or denoting circumstances in which objective facts are less influential in shaping public opinion than appeals to emotion and personal belief’.” In der Begründung zu dieser Wahl hieß es: “The concept of post-truth has been in existence for the past decade, but Oxford Dictionaries has seen a spike in frequency this year in the context of the EU referendum in the United Kingdom and the presidential election in the United States. It has also become associated with a particular noun, in the phrase post-truth politics.” Das Wort, im Deutschen „post-faktisch“, verdanke seine Popularität vor allem dem Aufstieg der Sozialen Medien, so die weitere Begründung des Wörterbuchs. Die Beobachtung erstaunt. Noch fünf Jahre zuvor, im Zuge der Ereignisse des sogenannten ‚Arabischen Frühlings‘ im Jahr 2011, waren es gerade die Sozialen Medien gewesen, die man als entscheidenden Ermöglichungsgrund und Motor der Aufstände und damit auch als Medium demokratischer Meinungsäußerung identifiziert hatte, das sich abseits der staatlichen Kontrolle bewegen konnte.
Vor allem im Hinblick auf die Verhältnisbestimmung der Sozialen Medien zur Demokratie hat sich die Sicht damit einmal um 180° gedreht: Spätestens seit der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA erscheinen sie, in Gestalt der Diskussion über das postfaktische Zeitalter, als neue große Bedrohung der Demokratie: „Wer vom postfaktischen Zeitalter spricht, hat die Demokratie schon aufgegeben“. Ziel der gemeinsamen Diskussion soll sein, die Rolle der Medien im Zusammenhang mit dem sogenannten Arabischen Frühling auszuloten und dabei sowohl auf die social media als auch auf die traditionellen Medien einzugehen. Von besonderem Interesse ist dabei auch die Frage, in welchem Verhältnis sie zu einer „Demokratisierung“ standen und stehen, in welche Narrative vor allem die westliche Berichterstattung die Ereignisse des ‚Arabischen Frühlings’ eingebettet hat und was das auch über europäische Sichtweisen auf das Verhältnis von Revolution und Religion verrät.
Professor Dr. Peter Fettke, Institut für Wirtschaftsinformatik (Saarbrücken): „Industrie 4.0 und Big Data“